Wenn man sich für Geschichte interessiert, kommt man an einem bemerkenswerten Osnabrücker nicht vorbei: Hans Calmeyer. Mit diesem Menschen, der sich in der Hitler-Diktatur verbogen hat, der aber zugleich subtil und höchst erfolgreich gegen das Regime arbeitete, habe ich mich lange Zeit beschäftigt. 2015 ist daraus eine Biografie geworden:
»Wer bin ich, dass ich über Leben und Tod entscheide?« Hans Calmeyer – »Rassereferent« in den Niederlanden 1941-1945
Hans Calmeyer sollte als »Rassereferent« über Fälle unklarer Abstammung entscheiden: War er Mittäter oder Widerständler?
Der Anwalt Hans Calmeyer (1903-1972) entschied als Beamter der deutschen Besatzungsverwaltung in den Niederlanden täglich über Leben und Tod: Nach der NS-Rassenpolitik sollte er »rassische Zweifelsfälle« klären. »Arier« oder Jude? Was zugleich bedeutete: Rettung oder Deportation. In ihrer Verzweiflung erfanden tausende Verfolgte neue Abstammungsgeschichten. Der Jurist hätte diese »Zweifelsfälle« in Holland genauso entscheiden müssen wie die Behörden in Berlin. Tatsächlich legten seine Mitarbeiter und er andere Maßstäbe an und versuchten, einzelne, aber auch ganze Gruppen vor der Verfolgung zu bewahren – auch Anne Franks beste Freundin. Dennoch ist Calmeyer bis heute umstritten: »Schindler oder Schwindler?« titelte der »Stern«. 1992 nahm ihn Yad Vashem unter den »Gerechten unter den Völkern« auf. Andere sehen in ihm ein funktionierendes Rädchen im Getriebe der Mordmaschinerie. Mathias Middelberg legt an konkreten Fällen die Handlungsweisen und -spielräume des »Rassereferenten« dar. – Wer war dieser Hans Calmeyer? War er Mittäter oder Widerständler?
Pressestimmen:
„Tausende Juden bewahrte er vor dem Tod, anderen half er nicht. Ein stiller Held – mit brauner Weste.“ – DER SPIEGEL, 15/2015
„Nach allem, was wir wissen, ist Hans Calmeyer derjenige Deutsche, der in den Jahren 1941 bis 1945 die meisten Juden gerettet hat.“ – DIE WELT, 15.4.2015
„Wie soll man einen Menschen bewerten, der in einem Unrechtsregime nur deshalb aktiv mitgewirkt hat, weil er Schlimmeres verhindern wollte?“ – Hannoversche Allgemeine Zeitung, 9.6.2015
„Calmeyer nutzte seine Position im NS-Apparat, um Anträge zu bewilligen, die ein linientreuer Funktionär mit einem Federstrich vom Tisch gewischt hätte. Er riskierte sein Leben, und mehr als einmal waren ihm die Schergen der SS nah auf den Fersen.“ – Neue Osnabrücker Zeitung, 7.4.2015
„Wie Anne Franks beste Freundin überlebte. Erst nach Jahrzehnten erfuhr Jacqueline van Maarsen, dass der deutsche Besatzungsbeamte Hans Calmeyer sie für christlich erklärte. Insgesamt rettete er rund 3700 Juden vor dem Massenmord.“ – Antonia Kleikamp, welt.de, 4.10.2015
„Ein mit Schwung erzähltes, eindringliches Lebensbild Hans Calmeyers – und zwar eines, das dessen Ambivalenz und Fehlbarkeit eben nicht zwecks Heroisierung ausblendet.“ – taz, 22.12.2015
„Middelberg schildert die Lebensgeschichte Calmeyers mit unverkennbarer Sympathie. Dennoch gleitet sein Buch nie ins Gefühlige ab. Indem Middelberg das Misstrauen beschreibt, das Calmeyer von Seiten der Den Haager SS-Führung entgegenschlug und die immer komplizierter werdenden Abwehrmanöver nachzeichnet, zu denen Calmeyer sich gezwungen sah, verdeutlicht er, wie schmal der Grat war, auf dem Calmeyer sich bewegte.“ – Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2015, S. 3015 f. (Juristische Bücher des Jahres – Leseempfehlungen)
„Eine kompakte, gut lesbare Biographie (…) Middelbergs Gesamtbewertung von Calmeyers Agieren unter denkbar schwierigen Bedingungen ist derart fundiert, dass sie dessen Ehrung als Gerechter unter den Völkern nachvollziehbar macht.“ – Johannes Koll, sehepunkte, Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften 6/2016
„Middelberg hatte sich schon 2004 für seine Promotion mit Calmeyer befasst. Als er für eine Biografie noch einmal die Akten und Unterlagen studierte, stieß er auch auf die Rettung von Anne Franks bester Freundin.“ – Westdeutsche Zeitung, 7.10.2016
„(…) gelungene Arbeit, die sich mit einer verständlichen Sprache nicht nur an ein Fachpublikum wendet. (…) An Mathias Middelbergs Werk über den ‚Rassereferenten‘ kommt in Zukunft niemand mehr vorbei, der sich mit Hans Calmeyer und seiner Rolle im NS-System der Niederlande sachkundig auseinandersetzen will.“ – Martin Schürrer, Osnabrücker Mitteilungen, Bd. 121, 2016
"Die Verbindung Anne Franks zu Hans Calmeyer, dem „Schindler aus Osnabrück“, liegt nicht unmittelbar auf der Hand. Aber wenn man sich genauer mit den beiden Persönlichkeiten beschäftigt, rücken ihre Schicksale ganz nah zusammen." – Regine Bruns, Neue Osnabrücker Zeitung, 16.3.2017
Donnerstag 21.06.2018, 09:00 Uhr Vortrag und Diskussion Ein Gerechter unter den Völkern – Wer war Hans Calmeyer? Veranstalter: KAB Diözesanverband Osnabrück Veranstaltungsort: KAB St. Bonifatius Widukindplatz 1, 49086 Osnabrück
Donnerstag 20.09.2018, 19:00 Uhr Vortrag und Diskussion Die Hans-Calmeyer-Str. am Witthügel – Wer war dieser Calmeyer? – Veranstalter: Heimathaus Hollager Hof von 1656 e.V. Veranstaltungsort: Hollager Hof, Uhlandstr. 20, 49134 Wallenhorst
Donnerstag 15.11.2018, 18:30 Uhr Vortrag und Diskussion "Wie Anne Franks beste Freundin überlebte" mit Jacqueline van Maaren Veranstalter: Neue Osnabrücker Zeitung Veranstaltungsort: NOZ Medienzentrum, Breiter Gang 10-16, 49074 Osnabrück
Mittwoch 27.02.2019, 10:00 Uhr Vortrag und Diskussion "Hans Calmeyer, Jacqueline van Maarsen und Anne Frank" Diskussion im Rahmen der Schulausstellung "Ich geh durch Krieg und Frieden" Anne-Frank-Schule Ibbenbüren
Mittwoch 03.07.2019, 10:00 Uhr Vortrag und Diskussion "Das Hans Calmeyer-Haus – Neuer Streit um den Osnabrücker Judenretter?" Veranstalter: Volkshochschule Osnabrück Veranstaltungsort: VHS, Bergstraße 3, 49078 Osnabrück